In dem 220-seitigem Band werden sowohl aktuelle Forschungsergebnisse der Arbeits- und Forschungsstelle Demokratieförderung und Extremismusprävention am Deutschen Jugendinstitut (DJI) als auch Evaluationen zum Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ vorgestellt. Die Wissenschaftler*innen des DJI und anderer Forschungseinrichtungen diskutieren darin die Rolle von Religion in Radikalisierungsprozessen und in der Präventions- und Distanzierungsarbeit. Die Publikation gibt z.T. biografische Einblicke in die Teilbereiche „Radikalisierung und Religion“, „Orientierungspunkte“ sowie „Pädagogische Auseinandersetzung mit islamistischem Extremismus“. Die Artikel sind praxisnah aufbereitet und richten sich nicht zuletzt auch an Vertreter*innen aus der Politik.
„Für die Mehrheit der Deutschen ist zunehmende Vielfalt mehr Bereicherung als Gefahr“
Wie gehen Deutsche mit Menschen eines anderen Lebensalters oder Geschlechts, mit sozial Schwachen oder Behinderten und mit der Vielfalt an sexuellen Orientierungen, ethno-kulturellen Hintergründen und Religionen um? Wie lässt sich die Akzeptanz von Vielfalt stärken? Für eine repräsentative Befragung der Robert Bosch Stiftung wurden 2019 bundesweit 3.025 Personen ab 16 Jahren zu ihren Meinungen und ihrem Verhalten gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen befragt.
Das Wichtigste im Überblick: Am stärksten werden Menschen mit einer Behinderung, einer unterschiedlichen sexuellen Orientierung und Menschen aus anderen Herkunftsländern akzeptiert. Die größten Vorbehalte gibt es gegenüber sozial Schwachen und Menschen, die einer anderen Religion angehören als der eigenen. Insgesamt erreicht die Akzeptanz von Vielfalt auf einer Scala von 0 (keine Akzeptanz) bis 100 (große Akzeptanz), 68 Punkte. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Laut dem Vielfaltsbarometer sind die Menschen im Norden und in Berlin besonders offen gegenüber Vielfalt (Akzeptanz nach Regionen 70-72 Punkte auf einer Scala von 100). Dahinter liegen die Bundesländer im Süden und Westen Deutschlands (66-69 Punkte). Eher skeptischer gegenüber Religionen sind die Menschen im Osten Deutschlands (61-65 Punkte). Am ehesten bereit sich auf Menschen einzulassen, die anders sind als sie selbst, sind die Deutschen in ihrer eigenen Nachbarschaft. Die Nachbarschaft ist der Ort, an dem über positive Erfahrungen die persönliche Einstellung nachhaltig verändert werden kann. Für die Akzeptanz von Vielfalt lohnt sich also mit den Nachbar*innen in Kontakt zu treten und sie kennenzulernen.
Und noch ein wichtiges Ergebnis der Studie: „Dort, wo die Vielfaltsakzeptanz hoch ist, sind die Menschen zufriedener, glücklicher und gesünder!"
bietet Wissenspool zur Prävention von Vorurteilen und Diskriminierung
Das Informationsportal Pufii.de beschäftigt sich in drei Phasen mit der Prävention von Vorurteilen, Diskriminierung und Rassismus. Als das zentrale Mittel zur Vorurteilsprävention werden dabei Kontaktmaßnahmen gesehen. (Eine kurze Beschreibung davon, was Kontaktmaßnahmen sind, finden sich hier.) Da Kontaktmaßnahmen bisher zu wenig Aufmerksamkeit in der präventiven Bekämpfung von Ungleichwertigkeitsvorstellungen und Ethnozentrismus bekommen haben, ist es das Ziel von Pufii diese zu fördern und Praktiker*innen hilfreiche Tipps an die Hand zu geben.
Seit 2018 recherchiert Pufii zu Projekten, die mit Kontaktmaßnahmen arbeiten und sammelt die Ergebnisse in Good-Practice-Beispielen. Um die Informationen von der Wissenschaft in die Praxis zu bringen, entwickelte Pufii eine zweiteilige Online-Seminarreihe und baut einen Wissenspool zur Prävention von Vorurteilen und Diskriminierung auf. Zu finden sind dort Materialien zur pädagogischen Arbeit, Projektbeispiele und Literaturtipps sowie Hinweise zu spannenden Veranstaltungen zum Thema Vorurteilsbekämpfung.
In dem am 15. August 2020 erschienenen Buch „Generation Haram. Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben“ beschreibt die Journalistin und Lehrerin Melisa Erkurt eindrücklich, wie an Schulen Ungleichheitsverhältnisse produziert und verfestigt werden. Auch wenn sie sich auf das österreichische Bildungssystem bezieht, bieten ihre Beschreibungen und Analysen dennoch Erkenntnisse für den deutschen Kontext. Melisa Erkurt ist selbst als Kind migriert und kennt somit beide Seiten und Perspektiven – die eines migrantischen Kindes in einem fremden Bildungssystem und die einer Lehrerin. Diese Perspektiven ermöglichen ihr gerade auch die scharfe Kritik, die sie am System Schule formuliert: dieses müsse sich ändern und nicht die jetzigen „Verlierer*innen“ des Systems.
Das Buch ist allen zu empfehlen, die an Schulen arbeiten und sich einen Perspektivwechsel wünschen und die sich für die Perspektiven von Schüler*innen interessieren, deren Stimmen ansonsten oft überhört werden.
Diese Handreichung gibt einen anschaulichen Überblick über die Präventionsstrukturen im Bereich des Islamismus sowohl auf Bundes- als auch Landesebene. Sie stellt systematisch dar, wie die Präventionsarbeit organisiert ist, welche bundes- und landesweiten Programme aufgelegt wurden, wie Landes- und kommunale Ebene zusammenarbeiten und welche zivilgesellschaftlichen Akteur*innen in diesem Feld aktiv sind. Überblicksgrafiken helfen, die komplexe Struktur von Zuständigkeiten und Zusammenarbeit zu durchleuchten und schnell die passenden Ansprechpartner*innen zu finden. Politische Bildner*innen und Pädagog*innen erhalten mit dieser Publikation einen aktuellen Stand der Präventionsarbeit in Deutschland.
Erster „Weizenbaum Report“ zur Bedeutung digitaler Medien für das politische und soziale Engagement
Die repräsentative Studie der Forschungsgruppe Digital Citizenship der FU Berlin zum politischen und sozialen Engagement in Deutschland kommt mit nur 13 Seiten aus, um ihre zentralen Ergebnisse vorzustellen. Es geht um die Bedeutung digitaler Medien für das politische und soziale Engagement und die Einstellungen, die die Menschen hierzu haben. Diese Studie soll, gefördert vom BMBF, regelmäßig durchgeführt werden, um Entwicklungen bei der Digitalisierung von politischem und sozialem Engagement erfassen zu können.
Dies ist keine Jugendstudie, doch lässt es sich z.B. mit den Ergebnissen des Kapitels „Normen für die vernetzte Gesellschaft“ auch in unseren Projekten sehr gut arbeiten. Die Liste der erhobenen „Normen für die vernetzte Gesellschaft“ umfasst:
auf Wahrheit in Nachrichten achten (85 %)
Informationen aus seriösen Quellen beziehen (75 %)
Hetze und Hass in Diskussionen entgegentreten (73 %)
auf Falschmeldungen hinweisen (68 %)
Diskussionen zu wichtigen politischen Themen mit eigenen Gedanken anstoßen (46 %)
Wissen über Politik mit anderen teilen (41 %)
Die Prozentzahlen geben die Zustimmung zu diesen Normen an und bieten so die Möglichkeit, eigene Befragungen oder Abstimmungen durchzuführen und mit diesen Ergebnissen zu vergleichen.
Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland – bei der bpb neu erschienen
Zum vierten Mal legt das freie Forschungsinstitut Sinus eine Jugendstudie zur Altersgruppe der 14- bis 17-Jährigen vor. Die Studie ist im Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb als Buch oder kostenlos als ePub verfügbar: www.bpb.de/311857.
Mit 624 Seiten (PDF) nicht gerade eine „Nebenbei-Lektüre“, dafür aber eine Studie voller interessanter Ergebnisse zu den unterschiedlichen Lebenswelten Jugendlicher. Nach den drei grundlegenden Kapiteln über Werte, Lebenswelten der 14- bis 17-Jährigen sowie Alltagsleben und -erleben folgen die Themen Berufswahl, Schule, Gesundheit, Sport, Politik und am Ende noch ein Sonderkapitel zur Corona-Krise.
Wie immer anschaulich und mit vielen O-Tönen versehen – dies ist eine Stärke des qualitativen Studienansatzes – geht es z.B. im Kapitel „Politik“ um spontane Assoziationen Jugendlicher zu diesem Begriff, um wichtige Themen und Akteur*innen sowie um „die Welt der Politik“, die in Collagen dargestellt wird. Übrigens eine gute Methode auch für die Bildungsarbeit, wie die abgebildeten Collagen der Jugendlichen zeigen.
Verschwörungstheorien, Hasskampagnen und rechtsextremes Framing
Die jugendschutz.net-Broschüre informiert über die Social-Media-Strategien der extremen Rechten, wie sie sich die Corona-Pandemie und die damit vielfach verbundene Verunsicherung zunutze macht. Es werden die gängigsten Verschwörungstheorien analysiert und aufgezeigt, inwiefern extrem Rechte durch diese versuchen, gesellschaftliche und politische Diskurse hin zu ihren Gunsten zu verschieben. Ebenso die Maßnahmen der Plattformbetreibenden als auch weitere Gegenmaßnahmen werden vorgestellt.
Anregungen zum Umgang mit Othering und Anfeindungen
Der inhaltliche Fokus dieser Handreichung liegt auf dem Schaffen einer konstruktiven Konfliktkultur, durch die ein Ansprechen von Problemen, ein Thematisieren von Rassismus und ein offener Umgang mit eigenen Fehlern und Vorurteilen möglich wird. Die Handreichung ist aus den Erfahrungen in der Praxis entstanden und bietet durch viele Zitate von Workshop-Teilnehmer*innen konkrete Einblicke in die Beratungs- und Bildungsarbeit. Anhand der Zitate und der daraus abgeleiteten Handlungsstrategien wird deutlich, wie notwendig die Zentrierung von Betroffenenperspektiven in der Bildungsarbeit ist. Durch sie findet eine Sensibilisierung für Othering-Mechanismen statt.
Die Handreichung bietet einen kompakten Zugang zum Thema „Menschenrechte“ und schafft somit die Grundlage, um mit ihnen als Bezugsrahmen politische Bildungsangebote zu gestalten.
Der Sammelband des Forschungsnetzwerkes Radikalisierung und Prävention (FNRP) an den Universitäten Osnabrück und Bielefeld erörtert die Bedeutung von Religion in Radikalisierungsprozessen bei jungen Menschen. Er zeigt anhand mehrerer Fallstudien auf, inwieweit Messenger-Dienste wie Telegram und WhatsApp ein Vehikel der Radikalisierung darstellen, inwiefern Radikalisierung der Konstruktion religiöser Identitäten dient und in welcher Weise Takfīr und Fitna in der Onlinekommunikation verhandelt werden. Die empirischen Fallanalysen werden durch Vergleichsstudien zur Funktion von islamistischen Bildmedien auf Facebook und durch einen Beitrag zur Deradikalisierungsarbeit in Justizvollzugsanstalten abgerundet.