Gemeinsame deutsche Nachkriegsgeschichte 1945 – 1990
in: Informationen zur politischen Bildung (izpp), Nr. 358 - 1/2024, PDF online
in: Informationen zur politischen Bildung (izpp), Nr. 358 - 1/2024, PDF online
Die Publikation des bekannten Islamwissenschaftlers Michael Kiefer ist nicht ganz neu und trotzdem hoch aktuell und hilfreich. Kompakt und gut verständlich liefert Kiefer Informationen zu den historischen Hintergründen und Kontexten der verschiedenen Antisemitismusformen und der gegenwärtigen Konfliktlinien innerhalb des aktuellen Nahostkonflikts.
Anhand verschiedener Studien referiert er ein differenziertes Bild über das Verhältnis junger Muslime in Deutschland und Europa zum Judentum, zu Jüdinnen und Juden und zu Israel. Die Ereignisse nach dem 7. Oktober 2023, dem terroristischen Anschlag der Hamas auf Israel, haben die vorher bereits vorhandenen Konfliktlinien quasi explosionsartig zu Tage treten lassen.
Für die Vorbereitung auf die bildnerische und pädagogische Arbeit mit Jugendlichen sowie die dekonstruktive Nachbearbeitung persönlicher Erlebnisse und Begegnungen ist dieses Bändchen in seiner Differenziertheit und Sachlichkeit ein guter Baustein im Theorie-Praxis-Diskurs.
Hier mal keine Studie oder eine Wissenschaftspublikation. In der aktuellen „Edumail # 78“ stößt man auf einen Beitrag, der überschrieben ist „Wir können die KI-Debatte nutzen, um eine Veränderung der Lernkultur voranzubringen.“ Dahinter steht ein ausführlicher Blogbeitrag mit Überlegungen von Nele Hirsch zu einer anderen, interaktiveren und partizipativeren Entwicklung der Lernkultur, die alle Beteiligten zu Lernenden und Lehrenden macht und genau dazu KI-Ressourcen einbindet. Ein sehr anregender Ansatz, der für die Bildungsarbeit in außerschulischen Kontexten grundsätzlich anschlussfähiger ist als dort, wo Lernen und Prüfen einen entscheidenden Kontext bilden.
Hirsch erläutert ihren Ansatz wie immer auch sehr praxisnah und gibt Hinweise, wie ein KI-Eduhacking in der Praxis aussehen sollte.
Seit einer Studie des IDZ Jena aus dem Jahr 2019 ist dies die aktuelle, bundesweit repräsentative Befragung zum Themenfeld. Es wurden 2023 hierzu mehr als 3.000 Internetnutzer*innen ab 16 Jahre befragt. Ein Resümee der Studie lautet:
„Hass im Netz hat weitreichende Auswirkungen auf Betroffene im Besonderen und auf Internetnutzer*innen und unsere Gesellschaft insgesamt. Die Folgen von Hass im Netz umfassen u. a. sozialen Rückzug und einen Rückgang der Online-Aktivitäten. Häufigste Folgen für Betroffene sind psychische Beschwerden und Probleme mit dem Selbstbild.“ (S. 8)
Die Studie untersuchte die Wahrnehmung, die Betroffenheit, den Umgang und die Folgen von Hass im Netz. Am häufigsten nehmen demnach männliche Internetnutzende mit höherer Bildung zwischen 16 und 24 Jahre alt, mit sichtbarem Migrationshintergrund, homo- oder bisexueller Orientierung und politisch eher linker Selbsteinstufung wahr (siehe: S. 30). Die Internetkanäle, auf denen am häufigsten Hass wahrgenommen werden, sind demnach Twitter / X, TikTok, Facebook und Instagram (siehe: S. 34).
Für die außerschulische politische Jugendbildung bestehen hier Möglichkeiten Gesprächs- und erfahrungsräume für Jugendliche anzubieten und mit ihnen über die in der Studie untersuchten Aspekte ins Gespräch zu kommen. Am Ende wird es um die Frage gehen, wie mit dem Hass im Netzt umgegangen wird und werden kann.
JuRe-Broschüre: Auf Augenhöhe. Inklusion in Ausbildung und Arbeitswelt – JuRe-Projekttage in Thüringen (2023)
Die Beiträge der Broschüre geben zum einen zentrale Inhalte und Erfahrungen der Projekttage mit Berufsschüler*innen wieder. Hierzu gehören u.a. eine Handreichung zum Konzept und Ablauf der Projekttage und ein Schüler*innenbeitrag mit Erfahrungen und Reflexionen zum Thema „Inklusion“ im Kontext von Ausbildung und Arbeitswelt. Die Broschüre geht in anderen Beiträgen thematisch auch über die Projekttage hinaus und stellt Einrichtungen, Personen und ein Filmprojekt, das zum Projekttag gehörte, näher vor.
Interview mit Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann, bpb online
„Die Deutsch-Palästinenserin und der Deutsch-Jude mit israelischen Wurzeln sprechen mit Schülerinnen und Schülern über eigene Erfahrungen und laden zu einem Trialog ein. Alle Emotionen und Fragen sind willkommen“ – so heißt es im Einführungstext.
Gleich zu Beginn des Interviews sagt Jouanna Hassoun: „Wir kommen ins Gespräch mit den jungen Menschen an Schulen, auch an Berufsschulen, und hören in erster Linie zu. Wir hören den jungen Menschen zu, weil dort einfach unglaublich viele Emotionen sind, so wie bei uns allen. Und es gibt, glaube ich, keinen Konflikt auf dieser Welt, der so stark emotionalisiert und polarisiert wie der Nahostkonflikt.“
Das Interview bietet wichtige Informationen, Hinweise und Anregungen für alle, die sich in der Bildungsarbeit mit Schüler*innen dazu auseinandersetzen.
Marcel Reif, eine der wohl profiliertesten Persönlichkeiten im Sportjournalismus dieses Landes, der sich vor ca. sechs Jahren aus dem Kommentatoren Geschäft zurückgezogen hat, spricht hier als Sohn eines jüdischen Vaters, der den Holocaust überlebt hat und nie darüber mit seinem Sohn gesprochen hat. Im Interview erklärt Reif, warum er sich zunächst so schwergetan hat, der Bitte der Bundestagspräsidentin nachzukommen, eine Rede im Bundestag zuhalten. Unprätentiös und offen spricht er über die Geschichte seines Vaters und wie sie seine eigene gewesen ist, über seine Verflochtenheit mit dem aktuellen Nahostkonflikt und über den Antisemitismus in Deutschland heute. Das Interview vermittelt eine wichtige aber selten zu hörende Perspektive innerhalb des aktuellen Antisemitismus-Diskurses.
Für Gespräche mit Schüler*innen könnte eine Interviewpassage wie diese anschlussfähig sein:
„Ein paar Jahre nach dem Tod meines Vaters habe ich ein Buch gemacht, in dem es um meine Lebensgeschichte in allen Facetten gehen sollte. Ich habe mich mit meiner Mutter zusammengesetzt. Wir haben drei Tage geredet, gelacht, geweint. Bei der Gelegenheit hat sie mir Dinge erzählt - das waren genau die Geschichten des Grauens, die ich nicht hatte hören wollen. Weil sie unfassbar sind, weil ich sie als unerträglich empfunden habe. Da erst habe ich das Schweigen meines Vaters richtig begriffen. Und ich bin ihm unendlich dankbar dafür. Ich glaube, dass das ziemlich heldenhaft war.“
Für die Auseinandersetzung mit dem diesjährigen Schwerpunktthema „Antisemitismus“ im Bundesprogramm „JMD Respekt Coaches“ und den beteiligten Projekten der politischen Jugendbildung ist diese siebseitige Kurzanalyse des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) Jena unumgänglich. Die Autorinnen rekapitulieren zu Beginn die Ereignisse des Terrorangriffs der Hamas am 7. Oktobers 2023 auf Israel. Anschließend werden die Reaktionen auf den Terrorakt und die darauffolgende Militäraktion Israels in den unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Milieus in Deutschland analysiert und erörtert.
Die Autorinnen resümieren die Ergebnisse ihrer Analyse kritisch: „Die deutsche Gesellschaft schafft es trotz und wegen des Holocaust immer wieder, Antisemitismus anders zu artikulieren. Das lässt sich in allen Milieus nachweisen und wird seit dem 7. Oktober gerade in der Empathie Verweigerung und im Versuch der Externalisierung von Antisemitismus auf Migrant*innen sichtbar.“ (S.6)
Auf dem Portal, das seit Dezember 2023 online ist, findet ihr „Hintergrundwissen zu verschiedenen Themenschwerpunkten sowie entsprechende Materialsammlungen und Handreichungen.“ Für das Kooperationsfeld im Bundeprogramm „JMD Respekt Coaches“ besonders interessant ist der Artikel von Judith Rahner „Primärprävention im Kontext Rechtsextremismus“
In der „Handreichung: Reimagine Belonging“ gibt es Denkanstöße und Werkzeuge zu den Themenkomplexen „Zugehörigkeiten“, „Identitäten“, „Rassismus“ und „Migration“. Anhand verschiedener Zeitleisten, Filme, neuer Medien und erzählter persönlicher Geschichten, werden Methoden und Hintergrundinformationen angeboten, die Perspektivwechsel anregen und Verständnis untereinander fördern können. Die Methoden eignen sich sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene. Die Handreichung ist zwar schon von 2016, ist trotzdem immer noch aktuell und kann gut eingesetzt werden.
Header: Foto © altmodern / iStock