Leonie Wunderlich / Sascha Hölig: „VERSTÄNDLICHER, NICHT SO POLITISCH“.
Einblicke in die Bedürfnisse und Nutzungspraktiken gering informationsorientierter junger Menschen, Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts | Projektergebnisse Nr. 69, 2023, Open Access / PDF online
„Mit Blick auf die Nachrichtennutzung in Deutschland zeigt sich, dass es eine zunehmend große Gruppe von Personen gibt, die Nachrichtenmedien nur in sehr begrenztem Umfang nutzen bzw. diese bewusst vermeiden. Diese Personen werden in internationalen Studien meist als »Avoider« oder »Minimalists« bezeichnet. Unter Berücksichtigung weiterer Aspekte wie der Motivation, sich zu informieren, und der Relevanz einzelner Angebote für die eigene Meinungsbildung, wurde im Rahmen der #UseTheNews-Studie 2021 ebenfalls eine solche Gruppe identifiziert: die gering Informationsorientierten (GIO).“ (S. 10)
An der qualitativen Studie nahmen zwei Altersgruppen junger Menschen teil (Jugendliche 14 – 17 Jahre, junge Erwachsene 18 – 22Jahre), die in zehn Fokusgruppen mit insgesamt 46 Teilnehmenden aufgeteilt waren und in Hamburg, Nürnberg, Dresden und Bottrop verortet waren.
Weitere Merkmale von ‘GIOs‘ sind, dass sie überwiegend, aber nicht ausschließlich, über eine geringe formale Bildung verfügen, häufiger einen Migrationshintergrund haben und ihr Informationsinteresse überwiegend davon abhängt, ob etwas eine persönliche Relevanz hat bzw. für ihre Peer-Group von Bedeutung ist. Ihre favorisierten Informationskanäle liegen im Social Media-Bereich (TikTok, YouTube, Instagram). (S. 42)
In der Studie werden im Schlusskapitel Hinweise für den Journalismus wie für Bildungsinitiativen formuliert. So wird u.a. verwiesen auf:
- die zumeist geringen Kenntnisse über und Berührungspunkte mit Journalismus
- eine fast durchgehende Kritik an zu vielen Fremdwörtern in klassischen Nachrichtenkanälen
- einem großen Bedürfnis wahrgenommen und gehört zu werden und
- Räume für den Austausch und die Möglichkeit zur Reflektion der eigenen Mediennutzung zu bekommen. (S.42-44)
„Insgesamt geben die Ergebnisse wertvolle Einsichten in eine Teilgruppe junger Menschen, die wenig am aktuellen Weltgeschehen interessiert ist und mit Informationsangeboten etablierter Anbieter kaum erreicht wird. Dabei muss beachtet werden, dass sich die Teilnehmenden der Bottrop-Gruppen – mit Blick auf Informationsbedürfnisse, Nutzungspraktiken und Einstellungen – deutlich von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen der anderen Gruppen unterscheiden [„gemeinsames Engagement bei Salon5, der Jugendredaktion von Correctiv; einem journalistischen Recherchenetzwerk“ S.20]. So weisen die jungen Bottroper großes Interesse und eine umfassend orientierte Nutzung auf. Zudem zeugen die Bottrop-Fokusgruppen von einem hohen Maß an Wissen und Reflektion gegenüber Journalismus sowie der eigenen Nutzungspraktiken. Diese Erkenntnis ist besonders relevant, weil sie zeigt, dass journalistische Bildungsarbeit einen großen Unterschied machen kann. Einzelne Initiativen haben ein großes Potenzial, junge Menschen zu erreichen, die lediglich aufgrund soziodemografischer Merkmale als GIO eingestuft werden könnten.“ (S. 44)